Geheimnisvoller Kapellenberg 

(Forschungsbericht der Erdstallforscherin Edith Bednarik, die in Niederösterreich bereits mehr als 250 Erdställe erforscht hat)

Althöflein ist eine Katastralgemeinde der Marktgemeinde Großkrut im nordöstlichen Weinviertel und bildet fast, mit einigen "zwischenliegenden“ Häusern, die zu Harrersdorf gehören, eine nach Südosten verlaufende Fortsetzung von ersterer. 

Im Osten der geschlossenen Ortschaft erhebt sich der Kapellenberg, ein künstlich bearbeiteter Hügel mit Wall und Graben. Einstmals stand ein wehrhafter Turm bzw. ein „Festes Haus“ auf seinem Plateau; dann baute man das alte Gemäuer in eine frühgotische Kirche um, in der regelmäßig Messen gelesen wurden. Erst in späterer Zeit fügte man einen Kirchturm an den Sakralbau, der von hier aus weit übers Land blickt.

 

 

 

Wall und Graben sind nur mehr in Resten erkennbar, weil am ganzen Kapellenberg Presshäuser und Weinkeller angelegt wurden. Diese zaubern neben der an Wochenenden am Abend beleuchteten anmutigen Kirche eine sehr romantische Atmosphäre über den Kapellenberg; aber dieser birgt in seinem Inneren ein noch viel interessanteres und romantischeres Geheimnis. 

Unter seiner Oberfläche, aber oberhalb der Keller, befinden sich mehrere ins anstehende Material gegrabene Hohlräume – so genannte Erdställe. Wall und Graben sind nur mehr in Resten erkennbar, weil am ganzen Kapellenberg Presshäuser und Weinkeller angelegt wurden. Diese zaubern neben der an Wochenenden am Abend beleuchteten anmutigen Kirche eine sehr romantische Atmosphäre über den Kapellenberg; aber dieser birgt in seinem Inneren ein noch viel interessanteres und romantischeres Geheimnis. Unter seiner Oberfläche, aber oberhalb der Keller, befinden sich mehrere ins anstehende Material gegrabene Hohlräume – so genannte Erdställe.

 

 

Am bzw. im Althöfleiner Kapellenberg sind heute vier Erdställe bekannt, die alle von Weinkellern aus zugänglich sind, mit Sicherheit aber nicht von diesen aus gegraben wurden. Sie sind auf jeden Fall weitaus älter. 

 

Ob sie in Zusammenhang mit der Verteidigungsanlage „Hausberg“ standen oder sich eher „zufällig“ dort befinden so wie heute die Weinkeller, lässt sich bis dato nicht sicher feststellen.

Das Material, in das die Erdställe gegraben wurden, scheint den Erbauern ziemlich egal gewesen zu sein – sofern es genügend beständig war. Wir finden Erdställe nämlich sowohl im etwas weicheren Lehm, Löss und „Flins“ als auch im harten Kristallin, z. B. im Waldviertel.

 

Was sind nun diese sagenumwobenen, geheimnisvollen Erdställe wirklich?

Man weiß es bis heute nicht, obwohl sich Forscher bereits seit etwa 120 Jahren mit dem Phänomen beschäftigen. Zu Beginn waren es meist Archäologen, die im Rahmen ihrer Forschungen mehr oder minder zufällig auf Erdställe stießen und sie sehr verschiedenartig interpretierten, was zu etlichen wissenschaftlichen Kontroversen führte. 

Der Erste, der sich flächendeckend mit der Erfassung und Erforschung hauptsächlich der österreichischen Erdställe befasste, war der Göttweiger Pater Lambert Karner, der auch Pfarrer in etlichen Weinviertler Gemeinden war. Er brachte im Jahr 1903 einen fast 300 Seiten starken Prachtband mit dem Titel „Künstliche Höhlen aus alter Zeit“ heraus und gilt allgemein als der Vater der österreichischen Erdstallforschung. 

Er hat zumindest zwei der Kapellenberg-Erdställe gekannt und schreibt über deren „Entdeckung“: „In diesen Hügel hinein wurden Keller gegraben und dies führte zur Entdeckung der künstlichen Höhlen.“ 

 

 

Obwohl darin zirka 120 Pläne und noch mehr Beschreibungen von Erdställen vorwiegend im Weinviertel, aber auch im Waldviertel, Oberösterreich und (einige) im Ausland aufscheinen, legt sich Karner bezüglich der Deutung nicht fest, äußert jedoch einmal die Vermutung, dass es sich um Objekte irgend eines Totenkultes handeln könnte. Ihr Alter scheint er „relativ hoch“ einzuschätzen, denn er verweist immer auf prähistorische Funde, wenn in einem Ort, in dem es auch Erdställe gibt, solche gemacht wurden.

 

Ungefähr zur gleichen Zeit wie Karner und noch über diese hinaus befasste sich der vielseitige Heimatforscher Ing. Franz Xaver Kießling besonders im Waldviertel mit der Erforschung von Erdställen. Leider gingen viele seiner Aufzeichnungen infolge feuchter Lagerung verloren. Die im Jahr 1923 (2. Auflage 1925) im Roland-Verlag erschienene Broschüre „Über das Rätsel der Erdställe“ sowie die Erwähnun­gen bzw. sogar genaueren Beschreibungen einiger Erdställe in anderen seiner Bücher (z. B. „Eine Wanderung im Poigreiche“ oder „Altertümische Kreuz- und Querzüge“ oder „Frau Saga“) sind gottseidank erhalten geblieben.

 

 

Es kommt öfter vor, dass die Eingänge der Erdställe im Laufe der Zeit verschüttet wurden und in Vergessenheit gerieten und dass die Objekte erst in neuerer Zeit durch verschiedene Umstände „wiederentdeckt“ werden. Ob dies am Kapellenberg auch der Fall war und die Besitzer zu Karners Zeit noch mehr über den Bau ihrer Keller und dabei gemachte Entdeckungen wussten als heute oder ob sie P. Lambert Karner nur ihre Vermutungen erzählten, ist ungewiss. 

Manche Forscher vertreten die Meinung, dass am Kapellenberg zwei, ja sogar drei Etagen von Erdställen existierten, dass diese zumindest den Grundbesitzern wohl bekannt waren und dass die Objekte der unteren Etagen, um Arbeit zu sparen (wie dies nachweislich an etlichen anderen Orten geschehen ist), vergrößert und zu Kellern ausgebaut wurden. Einen echten Beweis dafür, ob diese Meinungen richtig sind, hat man bis heute nicht gefunden.

Das stattlichste Presshaus mit dem größten und fast herrschaftlich anmutenden Keller liegt an der Nordseite des Kapellenberges und gehört Herrn Martin Bauer. Rechts (= westlich) davon befindet sich das Presshaus Hipfinger, während man links (= östlich) davon etwas abwärtssteigen muss zum Gemeindekeller, der kein Presshaus besitzt. Links vom Gemeindekeller schließt der Keller Reindl an; wieder mit Presshaus, ebenso wie die folgenden.

Das Presshaus Bauer ist nicht nur das auffälligste, sondern sein Erdstall ist auch das bekannteste und am leichtesten zu begehende Objekt der Kapellenberger Erdställe. Der heutige, knapp 80 cm breite und 90 cm hohe Einstieg befindet sich an der rechten Seite des Kellerhalses etwas mehr als 1 m nach dessen Beginn. Er führt nach Westen, biegt aber unmittelbar jenseits der Kellermauer in südwestliche Richtung. Nach 3 m trifft er auf einen quer verlaufenden Gang.

Sein linker Teil biegt nach 2 m im fast rechten Winkel nach rechts und mündet nach zwei weiteren Metern in eine zirka 1 ½ x 1 ½ m große Endkammer. In dem Gangstück bemerkt man in der Decke 2 so genannte Dampflöcher, das sind Lüftungsröhren mit einem Durchmesser von meist 7 bis 10 cm.

Der nach rechts führende Gangteil biegt nach 2 ½ m nach links und mündet nach 6 weiteren Metern ebenfalls in eine Endkammer, die knapp 2 m lang und 1 ½ m breit ist. Auf dieser Strecke liegen, eine links und eine rechts, zwei 1 – 1,30 m breite und knapp 2 m lange, kammerartige Räume, die jedoch keine „Zubringergänge“ besitzen und in ihrer vollen Breite offen am Gang anschließen. Beide besitzen an ihrer Stirnwand eine über ihre ganze Breite laufende „Nische“.

Alle Oberflächen, in denen man an vielen Stellen massive Bearbeitungen feststellen kann, sind mit einem dunklen Belag überzogen, wie er in Weinkellern üblich ist. Etwas störend wirken diverse Kritzeleien, die Besucher in die Wände geritzt haben. Über einige recht alte, fast nicht mehr sichtbare Inschriften freut man sich allerdings, und auf eine ist man besonders stolz, sodass man sie sogar nachgeritzt hat: den Namenszug des „Erdstallpfarrers“ P. Lambert Karner an der rechten Wand der zweiten Seitenkammer.

Da sowohl die Gänge als auch die Kammern dieses für einen Erdstall recht geräumigen Objektes fast aufrecht bis leicht gebückt begehbar sind und auch kaum Verfallserscheinungen zeigen, können sie von Besuchern besichtigt werden – zumindest von solchen, die nicht an Klaustrophobie leiden.

Ein weiteres, recht interessantes Objekt, das aber für Besuche von „Normalverbrauchern“ kaum geeignet ist, stellt der Erdstall Hipfinger dar. Man erreicht ihn über einen aus der Rückseite der Kellerröhre lotrecht emporführenden Aufstieg. Ein von diesem nach Südsüdosten ansteigendes Gangstück trifft nach zirka 2 ½ m auf einen ursprünglich mehr als 15 m langen Horizontalgang, der von Südwesten her im Bogen nach Südosten führt. Der südliche (= nach rechts führende) Teil reichte unter den Kapellenvorplatz und war so einsturzgefährdet, dass er ein Risiko für die Kapelle darstellte und im Frühjahr 2003 abgemauert und mit Magerbeton verfüllt werden musste.

Am Ende des nach links führenden Gangteiles, der wunderschön gearbeitete kleine dreieckförmige Nischen aufweist, die als „Lichtnischen“ gedeutet werden, befindet sich eine der interessantesten Stellen dieses Erdstalles. Hier stürzte nämlich, möglicherweise als Folge eines Bombeneinschlages im Hausberg, die Decke ein. In den vom Bundesdenkmalamt herausgegebenen „Fundberichten aus Österreich“ liest man im 5. Band folgende Notiz: „1950 bei Untersuchung des Erdstalles anschließend an den Keller K. Schultz (= damaliger Besitzer) beigabenloses Skelett an der Decke des Erdstalles, das wohl zum mittelalterlichen Friedhof rund um die Kapelle gehört.“

Die Existenz eines Friedhofs am Kapellenberg weist der Heimatforscher Erich Winter in der Festschrift „800 Jahre Althöflein“ nach, in der er einen Klagebrief des katholischen Pfarrers Georg Schwarz aus dem Jahr 1613 an das Passauer Konsistorium in Wien zitiert. Pfarrer Schwarz beschwert sich darin unter anderem darüber, dass auf Geheiß des protestantischen Landesherren „Erasmo von Landtau“ .... „seine unkattholischen Unnderthanen“ .... „auf den Freithof zu St. Georgen Capellen daselbsten durch die Prädikanten conduciert und begraben werden.“ – Der Friedhof wurde später aufgelassen und die Toten „auf den Friedhof in Böhmisch Krudt“ beigesetzt.

Genaueres über den Knochenfund erfährt man aus einem Artikel in den „Weinviertler Nachrichten“ vom Mai 1976. Hier wird unter anderem berichtet: „An der dortigen Kreuzungsstelle wurde seinerzeit das Gerippe einer vermutlich alten Frau gefunden, das nach Aussagen des Kellerbesitzers eine Länge von 210 Zentimeter gehabt haben soll. Als Besonderheit sei hier erwähnt, dass das Skelett nicht mit dem Gesichte nach oben, sondern mit dem Gesichte nach unten im Erdreich lag und nicht mit gesenkten, sondern mit über dem Kopf ausgestreckten Händen vorgefunden wurde.“

Nach einer genauen Aufzählung der gefundenen Teile des Skeletts, bei denen es sich ausschließlich um Knochen des Oberkörpers handelt, wird die Vermutung geäußert, dass diese „sechs bis siebenhundert Jahre alt“ seien und sich noch Reste davon „im Erdreich des Stollens“ befinden würden.

Die eigenartige Bestattung mit dem Gesicht nach unten warf natürlich in der Folge viele Fragen auf: Ob die Frau vielleicht im Zuge von Kriegswirren umgekommen und einfach in die Grube geworfen und verscharrt wurde, ob man sie vielleicht als Verbrecherin oder, durch ihre abnorme Größe gebrandmarkt, gar als Hexe oder Zauberin, noch über den Tod hinaus mit einer derartigen Bestattung bestraft hatte (obwohl Hexen für gewöhnlich verbrannt wurden).

Die Knochen lagen lange Zeit im Keller des Herrn Schulz. Seit er sie zur Untersuchung und Bestimmung aus der Hand gegeben hat, sind sie verschollen.

Durch den seinerzeitigen Deckenversturz wurde so viel Material in dem Gang abgelagert, dass er nur mehr auf dem Bauch schliefend zu befahren war. Herr Winter räumte in verdienstvoller mühsamer Arbeit so viel Schutt heraus, dass nun eine „Begehung“ in Hockstellung möglich ist.

Doch auch in anderer Hinsicht ist dieser Bereich besonders interessant. Der Burgenforscher Hans Peter Schad’n schreibt 1953 in seiner Abhandlung über Hausberge und andere Wehranlagen in Niederösterreich: „Die nördliche Hälfte des Kegels wird von einem Erdstall durchzogen, der heute von einem Keller aus zugänglich ist, das eigentliche Eingangsrohr aber führte ursprünglich von der Mitte des Plateaus abwärts.“ Wo sich der Beginn dieses „Eingangsrohres“ im Erdstall befinden sollte, schreibt er nicht.

P. Lambert Karner beschreibt diese Stelle eindeutig im Bereich des seinerzeitigen Versturzes (den es natürlich bei seinem Besuch noch nicht gegeben hat): „Zum südlichen Ende biegt der Gang b im scharfen Winkel nach Südosten um und ist an dieser Biegung die Vereinigungsstelle mit einem vom Plateau in die Tiefe führenden Gange, der jedenfalls der ursprüngliche Eingang war und schief abwärts geneigt in die Tiefe führte.“ Er zeichnet in seinem Plan sogar den Ansatz eines Ganges ein, gibt jedoch keinerlei Auskunft über dessen (angeblichen?) weiteren Verlauf.

Der Gangansatz, der zunächst unter den Resten des Schuttes des einstigen Versturzes verborgen war, wurde in neuerer Zeit freigelegt. Er endet jedoch nach zirka 2 m, wobei am Ende kein Versturz vorliegt, da rundum die auffällige Schichtung des umgebenden Originalmaterials sichtbar ist.

Dass sich hier einstmals so wie im Hausberg von Gaiselberg ein lotrechter Aufstieg befunden hatte, ist auch nicht möglich. In der Decke ist, umgeben von den rundum laufenden originalen Schichten, außer dem maximal 30 cm breiten dunklen Fleck, in dessen Fortsetzung wahrscheinlich noch der Unterkör­per der Frau steckt, eine derzeit zirka 50 x 50 cm große Fläche aus fremdem, also eingeschüttetem Material sichtbar. Das ist jene Stelle, wo der Oberkörper der begrabenen Frau lag. Hätte man sie in einen vorhandenen ehemaligen Aufstiegsschacht geworfen, wäre sie bis an den Boden durchgefallen und der Gang somit verschüttet gewesen. P. Lambert Karner konnte ihn aber ungehindert besuchen.

Außerdem hätte man in einem bestehenden Schacht sicherlich keine 30 cm breite seitliche Ausnehmung für den Unterkörper der Frau angefertigt. Es konnte somit bis jetzt kein Aufstieg zum Plateau gefunden und keinerlei Nachweis für eine Verbindung mit der Wehranlage bzw. einer Integration in diese erbracht werden. Schad’n und Karner haben anscheinend einfach die Erzählungen der Bevölke­rung übernommen und niedergeschrieben - Erzählungen, wie sie fast von jeder Burg oder sonstigen Wehranlage, natürlich auch von Hausbergen, existieren.

Von dieser interessanten Stelle des Erdstalles weg verläuft der Gang im spitzen Winkel zum herführenden Gangstück, also nach einer fast absurd scheinenden, scharfen Kehre, in nördliche Richtung, die er ungefähr 10 m weit beibehält. Auch hier und in den folgenden Teilen gibt es weitere „Lichtnischen“ und (allerdings verschlossene) Dampflöcher, und die ursprünglich offensichtlich fast spitzbogige Decke ist infolge einer hier eingelagerten sandigen Schichte leider sehr stark ausgewittert.

Auf dieser Strecke zweigen insgesamt drei teils nur etwa ¾ m lange Durchgänge ab, die in Kammern führen, von denen die beiden ersten kaum größer als 1 x 1,3 m sind. In der dritten Kammer, deren Zugang länger als 1 m ist, kann man fast aufrecht stehen; sie misst auch fast 1 ½ x 1 ½ m. In ihrer Stirnwand befindet sich eine große Nische, und in deren Rückwand ist sehr sorgfältig ein Kreuz eingeschnitten. Mit ihrer nahezu spitzbogigen, im First allerdings gerundeten Decke wirkt der Raum fast sakral, sodass er oft als „Kapelle“ bezeichnet wird.

Einige Meter nach dieser „Kapelle“ und drei Ausbuchtungen, die von Fachleuten als „Ausweichnischen“ bezeichnet werden (wobei allerdings nicht bewiesen ist, dass die Erbauer sie als solche vorgesehen haben), biegt der Gang nach rechts und mündet schließlich, nachdem man den verschütteten vermutlichen Originaleinstieg passiert hat, in zwei Y-artig angeordnete End-„kammern“, die kaum größer sind als 1 x 1 m und keine Abgrenzungen zum Gang besitzen.

In der Rückwand der linken Kammer befindet sich eine große Nische. Die interessantere Kammer stellt aber die rechte dar. In ihrer rechten hinteren Ecke öffnet sich im Boden eine im Löss natürlich entstandene, jedoch künstlich etwas erweiterte Spalte, die bis in die Decke des darunter liegenden Gemeindekellers reicht und von hier aus besichtigt werden kann.

In der gegenüberliegenden Ecke setzt knapp unterhalb des Bodenniveaus ein anscheinend von Tieren gegrabener, fuchsbauähnlicher Gang an, der eine Verbindung zum Erdstall Reindl II herstellt, dessen vorletzte Kammer auf nur 60 cm an den Erdstall Hipfinger heranreicht. Durch diese Öffnung und die natürliche Spalte werden zwar nur engräumige Verbindungen vom Keller Hipfinger durch den gesamten Erdstall zum Gemeindekeller und zum Keller Reindl hergestellt, die aber besonders bei Hochdruckwetter eine starke Wetterführung hervorrufen.

Infolge der doch etwas schwierigeren Befahrung und einer gewissen Instabilität bleibt der Erdstall Hipfinger nur Besuchen durch „Fachleute“ vorbehalten; ebenso wie die beiden weitaus kleineren Erdställe Reindl I und Reindl II.

In den ersteren führt ein vom Kellerhals erreichbarer kurzer Anstieg, der auf einen ungefähr in Nord-Süd-Richtung verlaufenden, infolge starker Verbrüche nur kriechend befahrbaren Gang trifft. Dessen linke Fortsetzung stellte offensichtlich den durch den Bau des Presshauses verschütteten Originaleingang dar, während man durch den nach Süden führenden Gangteil insgesamt drei Kammern erreicht: die erste am Südende des Ganges, die zweite, nach Westen weisende, durch einen kurzen nach Westen führenden Durchstieg und die dritte, wieder nach Süden ausgerichtete, von der zweiten Kammer her.

Der recht eigenartige Grundriss der zweiten Kammer könnte am ehesten als blattartig bezeichnet werden, während die südliche Stirnwand der dritten Kammer apsisartig ausgeführt ist. Am Grund dieser Apsis führt ein rätselhaftes, rundbogiges, maximal 20 cm hohes und ebenso breites, völlig gerades „Gangstück“ mit lotrecht abschließender Stirnwand zwei Meter weit nach Süden.

In dem Erdstall fallen fünf große Nischen von verschiedenen Formen auf; „Lichtnischen“ oder Dampflöcher gibt es nicht.

Der Eingang in den Erdstall Reindl II befindet sich in der Decke des Kellers, ist nur mit einer Leiter erreichbar und ziemlich eng. Durch ihn klettert man in eine Kammer am Südende eines recht schön gearbeiteten Ganges empor, der nach Norden führt. Nach ungefähr 6 m Länge biegt er nach Osten und läuft schließlich, nachdem ein verschütteter Gang – offensichtlich der ehemalige Einstieg – nach Norden abzweigt, in die nach Südosten weisende „Endkammer“ aus.

Außer dieser und der Einstiegskammer zweigen von dem Gang in seinem Nord-Süd-Verlauf zwei weitere Kammern ab; die erste nach rechts (= Osten), die zweite, die die Verbindungsröhre zum Erdstall Hipfinger besitzt, nach links. Keine der Kammern besitzt einen der in Erdställen üblichen Zustiegsgänge; sie liegen zum Hauptgang hin völlig offen wie jene im Erdstall Bauer. Allerdings sind die Eingänge maximal halb so breit wie die Rückwände der Kammern, da letztere konisch sind. Recht eigenartig ist dabei, dass die nördlichen Seitenwände aller vier Kammern nahezu geradlinig ungefähr im rechten Winkel vom Gang weglaufen, während die Südseiten mehr oder minder geschweift nach Süden ausbauchen. Es ist auch interessant, dass dieser Erdstall zwar zwei Dampflöcher, jedoch keine einzige Nische besitzt.

In diversen Prospekten und Berichten über den Kapellenberg liest man immer wieder von der „größten zusammenhängenden Erdstallanlage Europas“ mit einer Gesamtlänge von 200 m, meist werden sogar 300 m genannt. Diesen Angaben wird die Annahme zugrunde gelegt, dass die heute unterhalb der Erdställe verlaufenden Keller aus ehemaligen unteren Etagen der Erdställe hergestellt wurden und alle Erdställe einschließlich des sagenhaften Aufstieges zum Plateau ein einziges, in die ehemalige Wehranlage integriertes System bildeten.

Wenn man alle diese fiktiven ehemaligen Gänge zu den tatsächlich vorhandenen dazurechnet, mag man schon annähernd auf die angegebene Länge kommen. Es konnte jedoch eindeutig bewiesen werden, dass zumindest die beiden Erdställe Reindl I und Reindl II keine Verbindung zu den anderen haben konnten. Ehemalige Unteretagen bzw. Verbindungen zwischen den beiden Erdställen Bauer und Hipfinger konnten bis jetzt nicht wirklich bewiesen, jedoch, obwohl ihre einstige Existenz sehr unwahrscheinlich ist, auch nicht eindeutig widerlegt werden.

Trotzdem können meiner Meinung zufolge nicht mehr vorhandene Gänge, von denen nicht einmal sicher ist, dass sie wirklich existiert haben, keineswegs in die Angabe der Gesamtlänge eingerechnet werden. Zählt man die einzelnen Längen aller vier Erdställe zusammen, erhält man eine Gesamtlänge von 116 m (Erd­stall Bauer ungefähr 27 ½ m, Hipfinger zirka 56 m, Reindl I fast genau 15 m, Reindl II etwa 17 ½ m). Diese „Längenverkürzung“ tut allerdings der Romantik und Interessantheit des Kapellenberges keinerlei Abbruch.

Offensichtlich hat es im Kapellenberg noch andere Erdställe gegeben. Vom Presshaus Pilz, dem dritten Objekt links vom Keller Reindl, wird erzählt, dass es hier einstmals einen kleinen Keller gab, von dem Erdstallgänge weggeführt hätten. Die alte Frau, die dies erzählt hat und angeblich selbst drinnen war, ist längst verstorben. Der Keller wurde zugeschüttet und das Presshaus davor gebaut.

In den Geschichten und Erzählungen wird außer von den Erdställen immer wieder von einem Gang berichtet, der vom Kapellenberg bis in den ehemaligen Gutshof im Ort geführt und dort in einem Brunnen geendet haben soll. Angeblich mussten die jungen Burschen des Ortes als Mutprobe durch diesen Gang kriechen. Den Gutshof gibt es heute nicht mehr, die Brunnen sind alle zugeschüttet, und über die Lage des oberen Einganges kursieren nur widersprüchliche Gerüchte. Alle Stellen, die angegeben werden, sind zugeschüttet oder überbaut, sodass man den Einstieg heute vergeblich sucht.

Die Gemeinde Großkrut hat die Absicht, das kulturgeschichtlich äußerst wertvolle Kleinod Kapellenberg zu erhalten und sowohl die Erdställe als auch den (aus diesem Grund angekauften) nicht ausgewölbten und mit starken Verfallserscheinungen behafteten Gemeindekeller zu sanieren. Es ist zu hoffen, dass dem Kapellenberg im Zuge all dieser Arbeiten das eine oder andere seiner Geheimnisse entrissen werden kann.

weitere Bilder

Ein besonderer Dank sei hier nochmals an Frau Edith Bednarik ausgesprochen, die in tage- (wochen-, jahre-) langer Arbeit die Erdstallanlagen vermessen und erforscht hat. Ihren Ergebnissen verdanken wir die Bemühungen zur Rettung des "mittelalterlichen Kulturgutes" (Zitat Bundesdenkmalamt). 

                                                                                                                                               Ludwig Schweng